Mein zwiespältiges Verhältnis zu Safaris in Afrika

Was für ein kitschiges Bild, wenn sich eine kleine Gruppe Zebras in den ersten Sonnenstrahlen des Tages in Richtung Wasserloch bewegt. Sie haben es nicht eilig, doch trotzdem wirbelt jeder Schritt etwas Staub auf. Die feinen Körnchen vereinen sich zu kleinen Wolken, die in geradezu unnatürlichen Orangetönen in der Morgensonne leuchten.

Dieses Bild entstand 2018 in Namibia, als ich morgens vom Bett aus durch die breite Glastür unseres Gästehauses in Richtung des Wasserlochs blickte. Es war nur rund 30m entfernt und die beiden Häuser des kleinen Camps waren perfekt darauf ausgerichtet.

Zebras wirbeln im Morgendrot Staub auf

Ich war schon mehrfach in Afrika und liebe die Landschaften und den Tierreichtum. Ich hatte schon viele tolle Erlebnisse, an die ich mich gerne zurückerinnere. Doch es gibt auch Erinnerungen, die mich selbst nach Jahren noch schmerzen und zum Nachdenken zwingen.

Safari zu Afrikas Wildtieren – ja, nein, vielleicht?

Im Sommer 2021 wollten wir eigentlich wieder nach Namibia reisen, doch die Pandemie hatte andere Pläne. 5 Tage vor dem Abflug musste ich die Reise absagen, da das Land zum Virusvariantengebiet hochgestuft worden war. Besonders ärgerlich: die deutliche Spitze bei den Fallzahlen fiel genau mit unserem Reisezeitraum zusammen. Nur wenige Wochen später gingen die Zahlen auf ein vergleichsweise niedriges Niveau zurück und das Land wurde wieder heruntergestuft. Doch da war es für unsere Reise zu spät.

Wildtierbeobachtung von der Terrasse aus (Kgalagadi Transfrontier Park Südafrika)

Ende April 2022 steht der zweite Versuch an. Ich freue auf die Reise, aber deutlich verhaltender als im vergangenen Jahr. Die Angst vor einer erneuten Enttäuschung lässt mich einfach nicht los.

Aber bei solchen Reisen schwingt auch immer die Frage mit, ob Wildtierbeobachtungen in fernen Ländern etwas Gutes oder etwas Schlechtes sind. Ist es eine Frage der Betrachtung? Und welche (oft vergessenen) Punkte sollte man bei solchen Überlegungen berücksichtigen? Oder spielt vielleicht auch das Reiseziel eine Rolle? Ich setze mich immer wieder mit dem Thema auseinander, denn die Dinge sind nie einfach nur Schwarz und Weiß.

Ich beziehe mich bei meinem Artikel hauptsächlich auf Afrika. Nicht etwa, weil die meisten den Begriff „Safari“ mit dem afrikanischen Kontinent verbinden, sondern schlicht wegen meiner eigenen Erfahrungen. Selbstverständlich sind Wildtierbeobachtungen auch in anderen Regionen der Welt möglich.

Und weil ich schon auf meine eigenen Erfahrungen hingewiesen habe: es handelt sich hier um meine eigene Meinung, die auf den mir vorliegenden Informationen, Erlebnissen und Abwägungen beruht. Diese Meinung muss nicht jeder teilen, da wir alle unterschiedliche Erfahrungen und Ansichten haben. Daher möchte ich auch niemanden überzeugen, bekehren oder sonst irgendetwas.

Wenn du das Thema anders siehst, kannst du gerne einen Kommentar hinterlassen und eine Diskussion anregen. Ich weiß, dass das Thema von manchen sehr emotional betrachtet wird. Ich bitte daher um Sachlichkeit und die Akzeptanz anderer Meinungen.

Warum überhaupt Tiere in Afrika beobachten?

Zoos – Tiere hinter Gittern

Ja, es gäbe auch Zoos. Man mag sie oder eben nicht. Ich gehöre ganz klar zu denjenigen, die solchen Tierparks nur herzlich wenig abgewinnen können. Zu oft wird etwas vom Erhalt bedrohter Arten erzählt, doch artgerechte Haltung sieht in fast allen Fällen vollkommen anders aus. Es ist schwer zu rechtfertigen, dass die Tiere derart leiden müssen.

Früher bin ich auch in Zoos gegangen, wenn auch äußerst selten. Doch seit ich 2013 erstmals einige der Tiere in freier Wildbahn gesehen habe, ertrage ich den Anblick dieser traurigen Geschöpfe hinter den Gitterstäben ihrer Minigehege nicht mehr.

Von diesen persönlichen Präferenzen einmal abgesehen ist der Zoo aber für viele die einzige Möglichkeit, die Tiere anderer Kontinente hautnah zu erleben. Und letztendlich muss jeder für sich selbst entscheiden, ob das Konzept „Zoo“ akzeptabel ist oder nicht.

zahlreiche Giraffen im Park

Auch die Schutzgebiete in Afrika haben zum Teil Zäune. Da sind einerseits die Wilderer, denen es möglichst schwer gemacht werden soll, und andererseits die Bauern und andere Bewohner einer Region, die immer wieder in Konflikt mit wilden Tieren geraten.

Perfekt sind die Schutzgebiete auch nicht, da sie die Wanderrouten der Tiere behindern. Aber wir Menschen machen uns in den Lebensräumen der Wildtiere einfach zu breit. Und im Zweifelsfall verlieren immer die Tiere. Aber zumindest sind die geschützten Gebiete näher dran an einem natürlichen Lebensraum als das Löwengehege in einer deutschen Großstadt.

Im Vergleich: wusstest du, dass das Revier von Löwen normalerweise mind. 20 Quadratkilometer groß ist? Da ist das Gehege im Zoo nicht mehr als eine vergitterte Wohnschachtel.

Tiere in freier Wildbahn beobachten – vor der Haustür

Es ist unbeschreiblich, Tiere in ihrer natürlichen Umgebung zu beobachten, wobei die Intensität eines solchen Glücksmoments je nach Tierart und Region unterschiedlich ausfallen kann. Auch die Größe spielt eine Rolle, da ein Insekt deutlich weniger Aufsehen erregt als ein großes Säugetier.

Wie du der Überschrift entnahmen konntest, beziehe ich mich damit auf die heimischen Wildtiere, denn für sie gilt eigentlich dasselbe wie für die Wildtiere in Afrika. Das übersehen wir gerne, aber gleich mehr dazu.

Die kleinen Wunder vor der Haustür bedeuten für mich zum Beispiel, das Eichhörnchen vor meinem Bürofenster zu beobachten. Es fesselt meine Aufmerksamkeit jedes Mal. Es ist ein kleiner, aber vergleichsweise alltäglicher Glücksmoment.

Doch es reicht schon innerhalb Deutschlands zu reisen, um ein nicht alltägliches Tier zu entdecken – und schon steigt die Intensität der Endorphine sprunghaft an. Das können Robben für den Alpenbewohner sein oder Gämse für den Küstenbewohner. Und während der Einheimische sagt „Laaangweilig, sehe ich jeden Tag“, ist der Reisende vor Begeisterung gar nicht im Stande, die richtigen Worte zu finden.

Tiere in freier Wildbahn beobachten – in der Ferne

Doch Tiere von fernen Kontinenten besitzen noch eine ganz andere Anziehungskraft. Zwei Beispiele:

  1. Im Fernsehen läuft ein Beitrag über Wildschweine in deutschen Städten. Eine Muttersau überquert die Straße und wie an einer Perlenschnur folgt ihr eine Reihe aus Mini-Schweinchen. Selbst wenn man noch nie ein Wildschwein gesehen hat und die kleinen Schweinchen total goldig findet, löst die Sendung nicht den Wunsch nach einer Sichtung aus.
  2. Im Fernsehen läuft ein Beitrag über Geparde in der afrikanischen Savanne. Eine Mutter sitzt erhaben auf einem rötlichen Termitenhügel und lässt den Blick über die weite Landschaft schweifen. Von der Seite nähern sich zwei Jungtiere und setzen sich zu ihrer Mutter. Vergiss einmal Kontostand, Verpflichtungen und andere Hindernisse. Wäre es nicht toll, das einmal live zu erleben?

Warum erscheint das Wildschwein weniger interessant als der Gepard? Die Antwort ist einfach: das Wildschwein ist gewöhnlich und der Gepard ist exotisch.

Und genau das ist wohl die Hauptmotivation, warum manche auf Safari gehen: sie möchten die exotischen Tiere live erleben, die sie bisher nur aus dem Fernsehen kannten. Doch das Sehen allein ist nicht genug. Es geht vor allem darum, die Tiere genau so zu erleben, wie die spannenden Naturfilme sie zeigen: wild und in ihrem natürlichen Lebensraum. Und dazu gehören nun einmal keine Gitterstäbe, sondern eine weite Savanne, ein Affenbrotbaum oder ein (scheinbar) natürliches Wasserloch.

Portrait Elefant
zwei Zebras haben sich lieb
Spingbock Portrait

Safaris: Gratwanderung zwischen Artenschutz und kommerzieller Ausbeutung

Die Motivation der Safari-Touristen ist klar. Doch sind solche Fernreisen zu den Wildschutzgebieten überhaupt noch vertretbar?

Fakt ist: die Pandemie war katastrophal für Schutzgebiete. Mancher mag denken, dass es doch toll sei, dass weniger Menschen in entfernte Regionen der Welt reisen konnten. Die weggefallenen Flüge und die dadurch niedrigere CO2-Belastung seien eine längst überfällige Wohltat für unsere Umwelt. Das stimmt natürlich, aber es ist eine einseitige Betrachtung.

Denn die Schutzgebiete sind abhängig von den Einnahmen durch die Touristen. Bleiben die Touristen aus, fehlt ein großer Batzen Geld. Schon im März 2021 berichtete der Spiegel, dass in mehr als 60 Ländern jeder fünfte Wildhüter seinen Job verloren hat. Gleichzeitig wurden in 22 Ländern Gelder in Straßenbau oder Rohstoffförderung umgeleitet, die eigentlich in den Erhalt von Schutzgebieten fließen sollten.

Wilderer haben unter solchen Bedingungen leichtes Spiel. Und so leiden die Tiere, die wir doch unbedingt erhalten wollen, unter den Folgen der Pandemie – weitgehend unbemerkt vom Rest der Welt.

Daher sollte die Frage aus meiner Sicht nicht lauten, ob Safaris vertretbar sind, sondern vielmehr auf welche Art und Weise. Denn es gibt große Unterschiede, die nicht nur mit einem akzeptablen Verhältnis von Flugzeit und möglichst langer Aufenthaltsdauer zusammenhängen.

stolzer Vogelstrauß
Portrait der Löwin

Meine Erfahrungen und Einschätzungen

Ein unvergessliches Negativbeispiel aus Tansania

Leider musste ich schon erleben, dass Wildtiere für manche Menschen schlicht eine Attraktion sind. Und vor allem wenn man dafür bezahlt hat, scheint jedes Mittel recht zu sein, um die gewünschten Tiere vor die Linse zu bekommen. Für mich ist das die Perversion der Tierbeobachtung.

Es war 2016 in Tansania, einem Land mit einem extrem kommerziellen Wildtier-Tourismus. Die meisten Besucher buchen geführte Touren und profitieren einerseits von der Erfahrung der Guides und gleichzeitig von deren Vernetzung. Denn die Führer melden Tiersichtungen per Funk an alle anderen Autos innerhalb eines Parks, so dass die Chance für die erhofften Sichtungen sehr hoch sind.

Was wie ein Segen klingt, ist in Wirklichkeit ein Fluch. Denn innerhalb kürzester Zeit versammelt sich eine Blechlawine aus duzenden Autos. Die Fahrer drängeln, rangieren und quetschen sich in jede Lücke.

Stress, Unruhe und Menschenmassen verpesten den Moment. Schrecklich!

Löwin sucht sich Weg durch Blechlawine

Als per Funk ein Nashorn gemeldet wurde, war unser Fahrer nicht mehr zu halten. Das Tier fehlte noch auf der „To Do-Liste“ und es musste den zahlenden Gästen um jeden Preis auf dem Silbertablett serviert werden.

Das Tier wurde im hohen Gras vermutet, in das es sich zweifellos aus purer Angst geflüchtet hatte. Doch die Fahrer waren gnadenlos und fuhren kurzerhand die ganze Fläche platt. Aller Einwand half nichts und zwei Mitreisende konnten meine Empörung überhaupt nicht verstehen. Im Gegenteil: für sie war dieses Vorgehen vollkommen angemessen.

Und als wäre das alles nicht traurig genug, handelte es sich bei dem Tier um ein weibliches Nashorn mit einem verängstigten Jungtier. Ich hätte heulen können.

Diese Erinnerung hat sich schmerzhaft in mein Gedächtnis gebrannt. Und neben der rücksichtslos kommerziellen Grundeinstellung ist es der Grund, warum ich eine erneute Safari in Tansania für mich kategorisch ausschließe.

Es gab auch tolle Momente – keine Frage. Und es ist durchaus möglich, dass abseits der Serengeti und des Ngorongoro Kraters anders mit dem Safari-Tourismus umgegangen wird. Aber das Risiko werde ich trotzdem nicht eingehen.

Sind andere Länder in Afrika anders?

Die Frage kann ich nur aus meiner eigenen Erfahrung beantworten und die beschränkt sich auf Namibia und den südafrikanischen Teil des Kgalagadi Transfrontier Parks. Und dort habe ich bisher keinen ausgearteten Wildtier-Tourismus erlebt.

Wir standen mehrfach eine Stunde oder länger an einem Wasserloch im Etosha Nationalpark und konnten ganz entspannt – und vor allem allein – Elefanten, Giraffen und Antilopen beobachten. Und als 2018 im Kgalagadi ein prächtiges Löwenmännchen in einer unbeschreiblichen Ruhe und Erhabenheit zum Wasserloch schritt, waren neben uns nur zwei andere Selbstfahrerautos unterwegs. Zugegeben, das war früh morgens. Aber selbst im Verlauf des Tages begegneten wir nur wenigen anderen Autos.

Ostafrika hat riesige Herden und ist bekannt für seine gigantischen Tierwanderungen. Beides ist beeindruckend. Doch auch das südwestliche Afrika hat einen beeindruckenden Artenreichtum, der aus meiner Sicht deutlich weniger ausgebeutet wird.

Und dann gibt es noch Beispiele wie Botswana, die den Tourismus durch hohe Preise kontrollieren. Wie Safaris dort ablaufen kann ich nicht beurteilen. Aber die Regulierung lässt zumindest hoffen, dass man mit der heimischen Tierwelt vernünftig und verträglich umgeht.

Mein Fazit

Es ist nicht immer alles Schwarz und Weiß – viel zu häufig werden Dinge nur aus einem Blickwinkel betrachtet. Natürlich ist Fliegen schädlich für die Umwelt. Aber nicht in die fernen Länder zu reisen ist schlecht für unsere Tierwelt. Ein Dilemma.

Daher sind für mich persönlich zwei Punkte wichtig:

  • Ich versuche nur noch in Länder ohne Massen-Tiertourismus zu reisen. Wie genau der Ablauf vor Ort ist, lässt sich vorher leider nicht immer vollumfänglich abschätzen. Aber zumindest lassen sich Tendenzen erkennen.
  • Lange Flugzeiten sollten mit einem möglichst langen Aufenthalt kompensiert werden. 1 Woche Namibia – das stünde in keinem Verhältnis. Deshalb versuche ich immer gleich 3 Wochen zusammenzusparen.

Aber letztendlich ist es wie meistens: jeder muss selbst abwägen, was vertretbar ist. Und solange man Tiersichtungen nicht als käuflich und selbstverständlich betrachtet wie die beiden Mitreisenden in Tansania, ist der gesunde Menschenverstand ein guter Richtwert.

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Ich denke, ich habe deutlich gemacht, dass es sich bei diesem Artikel um meine eigene Meinung handelt. Es bestanden keine bezahlten Kooperationen.


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