Wenn die Bedingungen passen, kann man bei winterlichen Spaziergängen im Wald bizarre, weiße Gewächse entdecken. Was auf den ersten Blick an den Fruchtkörper eines Pilzes oder an Zuckerwatte erinnert, hat mit beidem nicht einmal annähernd etwas zu tun. Tatsächlich lebt das Wattebausch-ähnliche Gebilde nicht einmal, denn es handelt sich um eine ganz besondere Form von Eis: das Haareis.
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Haareis – ein seltenes Naturphänomen
Das Haareis (oder auch Eiswolle) ist ein Mysterium, das noch nicht vollständig erforscht ist. Es finden sich Berichte darüber, die inzwischen fast 200 Jahre alt sind. Aber es gibt bis heute Aspekte hinsichtlich seiner Entstehung, die noch nicht abschließend geklärt wurden.
Für gefrorenes Wasser sieht es nicht nur äußerst untypisch aus, sondern es verhält sich auch anders. Ich finde das total spannend! Und das ist wohl auch der Grund, warum ich einen Artikel darüber schreibe 😉
Kurz nachdem ich erstmals von Haareis gehört hatte, entdeckte ich es auch schon während einer Wanderung. Ich war vollkommen überrascht, denn ehrlichgesagt hatte ich nicht damit gerechnet, dieses seltene Phänomen überhaupt einmal zu sehen.
Doch tatsächlich habe ich es seit meiner ersten Sichtung schon erstaunlich oft entdeckt. Vielleicht liegt es daran, dass die Bedingungen in der Region vergleichsweise oft passen oder dass ich inzwischen einfach weiß, worauf ich achten muss.
Doch was ist Haareis eigentlich und wie entsteht es?
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Vergängliches Mysterium
Das einzelne Eishaar hat eine Dicke von etwa 0,02mm. Im Vergleich: das menschliche Durchschnittshaar ist 0,05 – 0,08mm dick. Und wie unsere Haare wächst es von der Basis und schiebt sich auf diese Weise aus einem Stück Totholz heraus. Das überrascht, denn normalerweise wachsen Eisstrukturen immer an ihrem Ende weiter.
Wer schon einmal das Wachstum von Eisblumen an einer Fensterscheibe oder die Zeitrafferaufnahme einer Schneeflockenbildung beobachtet hat, kennt dieses Phänomen. Beides entsteht durch die Luftfeuchtigkeit, die außen an den bereits vorhandenen Strukturen ansetzt. Doch Haareis verhält sich vollkommen anders.
Überraschend ist auch die enorme Geschwindigkeit von 5 – 10mm pro Stunde, die ein solches Haar bei idealen Bedingungen wachsen kann. Man könnte fast zuschauen, wie sich diese bis zu 10cm (!) langen Haare bilden. Allerdings entstehen die Eisstrukturen meist nachts, wenn die erforderlichen Wetterbedingungen stabiler sind. Tagsüber kann das Haareis nur an schattigen Standorten „überleben“. Es reicht schon der kleinste Sonnenstrahl und der Zauber ist dahin.
Haareis – eine anspruchsvolle Diva
Die filigrane Eisskulptur ist eine kleine Diva: wenn die Voraussetzungen nicht absolut perfekt sind, lässt sie sich nicht blicken. Weicht auch nur ein einziger Faktor von ihren hohen Ansprüchen ab, braucht man gar nicht nach dem eisigen Naturwunder Ausschau halten.
Die perfekte Standort
Die Wünsche unserer Diva hinsichtlich ihrer Bühne sind sehr exakt: es muss ein Buchen- oder ein Laubmischwald sein. Zudem entstehen die Zuckerwatte-Strukturen nur auf Totholz, das von einem winteraktiven Pilz besiedelt ist. So 100%ig ist dieses Rätsel noch nicht gelüftet. Fakt ist aber: würde man das Totholz mit kochendem Wasser übergießen, könnte auf dem sterilisierten Holz keine Eiswolle entstehen.
Die Theorie ist, dass sich der Pilz mit bestimmten Stoffen vor dem Frost schützt, die wiederum das Wachstum des Haareises begünstigen. Der Pilz „füttert“ quasi die Haare, damit sie dem Holz das Wasser nach außen hin entziehen. Daher wachsen die Haare von das Basis an, also ausgehend von der Wasserquelle.
Ist dem Holz das Wasser entzogen, kann der Pilz nicht mehr darin einfrieren. Die Natur ist genial!
Das perfekte Wetter
Während ich feucht-kaltes Wetter weniger prickelnd finde, betritt der anspruchsvolle Star des winterlichen Walds nur dann seine Bühne. Genauer gesagt müssen die Temperaturen nach 1 bis 2 regnerischen Tagen ganz leicht unter den Gefrierpunkt fallen. Zu warm passt nicht – zu kalt auch nicht… eine Diva halt!
Doch die Erklärung leuchtet ein: würden die Temperaturen zu tief sinken, dann würde die Feuchtigkeit im Holz gefrieren und die Haare könnten dem Holz kein Wasser mehr entziehen. Gleichzeitig muss es außerhalb des Holzes knapp unter 0°C haben, damit das entzogene Wasser zu diesen faszinierenden Eisstrukturen gefrieren kann.
Zudem muss es windstill sein und es darf kein Niederschlag fallen. Beides würde die zarten Strukturen bedrohen.
Wo ich das seltene Naturphänomen entdeckt habe
Wenn so viele Faktoren gleichzeitig zusammenkommen müssen, scheint es fast aussichtslos, die seltenen Eisstrukturen im Wald entdecken zu können. Trotzdem hatte ich innerhalb kurzer Zeit in mehreren Wäldern das Glück, dass die Bedingungen ideal waren:
- im Wald südlich des Pleikershofs bei Cadolzburg
- im Würzburger Stadtwald
- im Wald hinter der Scherenburg bei Gemünden
Natürlich wäre es zwecklos, jetzt genau diese Wälder anzusteuern. Schließlich ist der Wald nur ein Baustein von vielen, die erfüllt sein müssen.
Aber wenn wieder einmal feucht-kaltes Wetter ohne Niederschlag und Wind herrscht, achte bei deinem Spaziergang in einem Laubmischwald auf den Wegrand. Und wenn du aus dem Augenwinkel etwas Weißes siehst, hast du vielleicht dein erstes Haareis entdeckt 🙂
Dieser Artikel basiert auf meinen Erfahrungen und Recherchen im Internet. Wenn mir trotz sorgfältiger Recherche ein inhaltlicher Fehler unterlaufen ist, tut mir das leid. Aber ich bin ja schließlich keine studierte Eisforscherin mit dem Spezialgebiet „mysteriöse Naturwunder“ 😉
Wow, wieder mal was gelernt. Ich wusste gar nicht, dass es so etwas gibt. Hast du Haareis bewusst gesucht oder bist du zufällig drauf gestossen und hast dann recherchiert, was das ist? Ich denke mir, dass das doch recht schwer zu finden ist.
Hallo Oli,
ich habe vor ein paar Wochen erstmals auf Instagram von Haareis gehört. Da allergings auf die Seltenheit dieses Phänomens hingewiesen wurde, rechnete ich absolut nicht damit, es live zu sehen. Also hielt ich nicht einmal bewusst Ausschau danach. Aber möglicherweise war ich dann doch irgendwie dafür sensibilisiert, denn aus dem Augenwinkel sah ich mehrmals etwas Weißes direkt neben dem Weg. Bei genauerem Hinschauen entpuppte es sich als Haareis 🙂 Es war einfach Glück.
Nach dem Insta-Beitrag hatte ich ein bisschen recherchiert. Aber es war die erste Sichtung, die dann wirklich mein Interesse geweckt hat.
Liebe Grüße
Verena