Normalerweise nutze ich die Fotoparade, die Michael von Erkunde die Welt alljährlich veranstaltet, für einen Jahresrückblick. Jedes Jahr gibt er Themen vor, zu denen passende Bilder präsentiert werden sollen (bzw. können) und ich liebe die Challenge, meine Ordner danach zu durchsuchen.
Doch diesmal bin ich recht schnell bei den Bildern der Namibia-Reise im Mai hängengeblieben. Es war eine ganz besondere Reise, aber nicht in der Art, die man erwarten würde: der Grund für die Reise war sehr traurig. Und daher ist mein Beitrag zur Fotoparade 2022 auch nicht der gewohnte Jahresrückblick, sondern eine sehr persönliche Geschichte.
Um sie zu erzählen muss ich etwas ausholen.
Inhaltsverzeichnis
Eine etwas andere Reise nach Namibia
Vorgeschichte in Ostafrika
Als mein Mann und ich 2017 durch Tansania reisten, waren auch meine Mutter und mein kleiner Bruder dabei. Beide waren tief beeindruckt von den Erlebnissen und dem Bild, das sie während der Safari von Afrika gewonnen hatten. Und als ich für 2018 eine Namibia-Reise plante, fragte ich meine Mutter, ob sie mitkommen wolle. Sie war total begeistert.
Doch eine tierreiche Safari in Ostafrika ist etwas vollkommen anderes als ein Roadtrip durch das landschaftlich reizvolle Namibia. Daher stimmte sie meine Aussage traurig, dass sie weniger Tiere, aber mehr Landschaften sehen würde. Ich versicherte ihr zwar, dass ihr die Tiere nicht fehlen würden, doch sie blieb skeptisch.
Wenige Monate vor der Reise, lernte meine Mutter jemanden kennen. Ihr neuer Freund war uns so sympathisch, dass mein Mann und ich eine Reise zu viert vorschlugen. Die nötigen Um- und Zubuchungen waren schnell erledigt. Und so reisten wir schließlich zu viert durch Namibias Süden.
Wir hatten eine tolle Zeit! Und die beiden waren wie erwartet vollkommen beeindruckt von den Landschaften, der Weite und der unbeschreiblichen Stille. Klar sahen wir auch Tiere, aber mit Tansania war das nicht ansatzweise zu vergleichen. Doch irgendwann gestand mir meine Mutter: „Ich habe dir nicht geglaubt, aber du hattest vollkommen recht“.
Nach der Reise gab es lange kein anderes Thema. Meine Mutter und ihr Freund hatten sich nicht nur den typischen Afrika-Virus eingefangen, sondern sich vollkommen in das Land verliebt. Klar wollten sie wieder dorthin, aber auf Gruppenreisen hatten sie keine Lust, allein trauten sie sich nicht und mein Mann und ich mussten nach zwei großen Reisen in zwei Jahren erstmal wieder etwas ansparen.
Der letzte Wille meiner Mutter
Im August 2020 dann der Schock: meine Mutter hatte Krebs. Und zwar einen von der Sorte, bei dem man ganz schnell seine Angelegenheiten klären sollte. Doch selbst dafür reichte ihre Zeit nicht mehr. Wenige Wochen nach der Diagnose starb sie. Aber vorher teilte sie mir noch ihren letzten Wunsch mit:
„Fahrt mit B. noch einmal nach Namibia. In das Land, das wir unbedingt noch einmal sehen wollten.“
Die Planung lenkte mich damals von ihrem Tod ab und schnell wurde daraus eine Reise für Sommer 2021. Doch dann schossen für wenigen Wochen die Corona-Zahlen in Namibia massiv in die Höhe, so dass wir uns schweren Herzens für eine Verschiebung der Reise auf Mai 2022 entschieden. Ich fühlte mich damals wie ein Versager, als ich die E-Mail an die Agentur abschickte. Klar wusste ich, dass es sich um höhere Gewalt handelte, aber trotzdem war das ein seelischer Tiefpunkt.
Wenn sich drei wie vier anfühlen
Ich kann nicht beschreiben, wie ich mich am Abreisetag fühlte, als wir zu dritt nahe der Aussichtsplattform des Frankfurter Flughafens saßen. Es waren inzwischen 1 1/2 Jahre vergangen und der anfängliche Schmerz war einem dumpfen Verlustgefühl gewichen.
Einerseits freute ich mich auf die Reise, andererseits war der Gedanke an den Grund der Reise nie fern. Sollte ich lachen oder weinen? Musste ich mich schämen, wenn ich mich freute? Meine Mutter hätte definitiv gewollt, dass wir uns freuen und Spaß haben. Und das wusste ich auch. Trotzdem fühlte sich die Freude ebenso falsch an, wie der traurige Blick auf die drei Flugtickets, bei denen das vierte fehlte.
Doch meine Mutter war bei uns. Nicht nur in Gedanken. Mancher mag es lächerlich finden, aber sie reiste in Form einer Plüschgiraffe mit, die ihr Gesicht trug. Mein Plan war, sie während der Reise zu fotografieren, als wäre sie ein Teil unserer kleinen Reisegruppe.
Und so war sie immer dabei:
beim Sonnenaufgang auf Düne 45, nach einem anstrengenden Aufstieg
auf Safaris im Etosha Nationalpark und dem Bwabwata Nationalpark
und an den Ufern des Kwando im Caprivi
Sie trank mit uns abends ein Glas Rotwein, erreichte eine Okavango-Insel über eine schwankende Hängebrücke, saß zwischen den versteckten Blumen im Steppengras, genoss den Fernblick von der Vingerklip, baute im Sesriem Canyon ein Steintürmchen…
Wir hatten eine wundervolle Reise mit vielen schönen Momenten. Und wir haben viel gelacht, da es sich irgendwann nicht mehr falsch anfühlte. Doch wir alle hatten Momente, in denen wir still wurden und uns erinnerten. Ich empfand das als sehr heilsam.
Und manchmal fühlte es sich während der Reise so an, als würde ich neue Erinnerungen mit meiner Mutter sammeln, obwohl es nur die Plüschgiraffe mit ihrem Gesicht war, die mich begleitete.
Im Anschluss an die Reise erstellte ich dann ein Fotobuch mit ihren Bildern und überraschte damit eine kleine Auswahl an Empfängern, die von meinem Vorhaben nichts mitbekommen hatten.
Nach Wolken kommt die Sonne
Aus etwas Traurigem entstand etwas sehr schönes. Und die Erlebnisse und Erinnerungen würde ich für nichts auf der Welt eintauschen. Daher: schaut immer nach vorne. Der Spruch ist vielleicht etwas abgedroschen, aber er ist so wahr.
So, jetzt brauche ich erst einmal ein Taschentuch…
Meine Bilder der Fotoparade 2022
Nachdem ihr nun den Hintergrund der Reise und die Geschichte meiner Bilder kennt, komme ich nun zu meinen Beiträgen für die Fotoparade 2022. Denn darum sollte es hier ja eigentlich gehen 😉 Michael hatte die folgenden Themen vorgegeben:
- Berühmt
- Modern
- Naturwunder
- Obst
- Botschaft
- Selfie
- Zusatzthema SW
- Zusatzthema Koloriert
Die Themen sind keine Pflicht, sondern vielmehr eine Challenge, die ich immer gerne annehme.
Berühmt
Modern
Naturwunder
Obst
Botschaft
Zusatzthema SW
Zusatzthema Koloriert
Selfie
Wer aufgepasst hat, dem ist vielleicht aufgefallen, dass ich in der Reihenfolge ein Thema ausgelassen habe: das Selfie. Es soll den Abschluss meines Berichts bilden.
Ich denke, den Text könnte ich mir eigentlich sparen. Aber was soll’s: Es bestanden keine bezahlten Kooperationen.
Hallo Verena,
puh, was für eine bewegende Geschichte hinter eurer Reise. Ich brauchte auch erstmal ein Taschentuch. So traurig der Anlass ist, die Idee ist wunderschön und herzerwärmend! Deine Mutter war auf jeden Fall in euren Herzen dabei.
Und übrigens sind das auch ganz wunderschöne Aufnahmen aus Namibia! 🙂
Liebe Grüße
Iris von Ich Reise Immer So
Hallo Iris,
vielen Dank für deine lieben Worte
Liebe Grüße
Verena
Liebe Verena,
was für ein Beitrag! Ich brauchte beim Lesen ebenfalls ein Taschentuch. Und nun beim Kommentieren schon wieder. Lange hat mich kein Text mehr so berührt.
Neben der Idee mit der Giraffe sind auch deine Bilder fantastisch. Besonders gefällt mir der Schmetterling. Der Text darunter lässt mich dann schon wieder zum Taschentuch greifen.
Ich würde sagen, du hast das Thema voll erfüllt.
LG
Maike
Vielen Dank, liebe Maike.
Ich bin etwas unsicher, ob ich mich freuen oder mich entschuldigen soll, dass dein Taschentuchverbrauch wegen meines Beitrags zur Fotoparade sprunghaft angestiegen ist 😉 Aber es bedeutet auf jeden Fall, dass ich genau die richtigen Worte gefunden habe, um meine Emotionen zu transportieren.
Liebe Grüße
Verena
Hallo Verena, wow, was für ein bewegender Beitrag zur Fotoparade! Die Story zur Namibia-Reise hat mich (und auch meine Frau) ganz schön berührt und die Fotos sind auch toll geworden.
Liebe Grüße, Klaus
Hallo Klaus,
vielen Dank für deinen Kommentar.
Dieser Artikel war definitiv der persönlichste, den ich bisher auf meinem Blog veröffentlicht habe. Aber das musste einfach mal raus. Es ist halt nicht immer alles heiter Sonnenschein, auch wenn Blogs gerne dieses Bild vermitteln 😉
Liebe Grüße
Verena
Was für eine bewegende Geschichte. Und was für eine schöne Idee, Deine Mutter auf diese Weise auf die Reise mitzunehmen. Ich bin sicher, sie hat von irgendwo da oben die Namibia-Reise ebenso genossen wie Ihr. Liebe Grüße und alles Gute
Hallo Sabine,
in irgendeiner Weise war sie auf jeden Fall dabei, sei es nun in Gedanken oder als stiller Beobachter von oben.
Liebe Grüße
Verena